„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Ein afrikanisches Sprichwort
Hallo – alle miteinander,
als mein Vater starb, sah ich meine Mama das letzte Mal weinen. Dort wo ich herkomme, heulen wir bei den Beerdigungen die Augen aus dem Kopf. Es wird tagelang(mit kurzen Unterbrechungen) richtig und laut geheult. Daher ist nachher die Trauertherapie nicht nötig. Die Trauer wird schon durch das Weinen verarbeitet.
Nach der Beerdigung meines Vaters habe ich meine Mama nicht wieder weinen gesehen. Ich bin mit dieser starken großen Mutter aufgewachsen, die nie vor ihren Kindern weinte. Meine Mama hatte ihre Gründe und ich verurteile sie nicht. Sie war alleine mit fünf Kindern, davon vier Buben und musste stark sein.
Als ich meine Tochter bekam, sagte mir damals ihr Vater „Easter, es ist das erste Mal, dass ich dich weinen sehe.“
Jahre später als ich durch eine hässliche Scheidung ging und mit Emotionen voll geladen war, habe ich mich an diesen Satz erinnert. Ich habe nicht gemerkt, dass ich genauso bin, wie meine Mama – ja nicht vor den anderen weinen. Ich entschied mich jedoch dieses Verhalten aus meiner Kindheit bewusst zu unterbrechen und meine Gefühle fortan ganz offen zu zeigen.
Meinen Kindern wollte ich bewusst zeigen, dass ich ein Mensch mit Gefühlen bin und, dass es normal ist Gefühle zu zeigen. Ich bin stolz auf mich wie ich jetzt vor den Kindern richtig heulen kann. Einfach herrlich! Während der Scheidung haben wir viel zusammen geweint und es war gut so.
Meiner Meinung nach suchen uns die Kinder aus. Ich habe zu Hause ein neuen jähriges wunderschönes Mädchen. Dieses Kind ist stark, stur, frech und selbstbewusst – manchmal frage ich mich wer mir dieses Kind geschickt hat :-). Dann bin ich stolz auf mich, denn sie hat mich ausgesucht. Sie wusste, dass ich genauso stark, stur und selbstbewusst bin – und dass ich mit ihr umgehen kann. Ich habe auch einen Sohn der mir zum Geburtstag alles gute zum Muttertag wünscht und zum Muttertag alles gute zum Geburtstag wünscht. Und mir nachher sagt „Mama, du kriegst kein Geschenk, du bist eh gesund!“ Er hat mich auch ausgesucht, denn er wusste für die Mama ist die Gesundheit das wichtigste, nicht Geburtstag und Muttertag.
Wie oft habe ich am Abend ein schlechtes Gewissen, weil ich zu streng war oder mit ihnen zuviel geschimpft habe? Ja, ich kann richtig schimpfen, zwar laut. Habe ich nachher ein schlechtes Gewissen? Oh doch! Danach schleiche ich mich in ihre Zimmer hinein und decke sie mit Küssen ab. Ein schlechtes Gewissen zu haben ist normal und ist erlaubt, sonst wären wir nicht menschlich.
Kinder brauchen Grenzen und es ist unsere Aufgabe sie zu begleiten und ihnen den richtigen Weg zu zeigen. Ich habe diese Woche mit meiner Freundin sehr lange über dieses Thema gesprochen und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich mir meine Kinder ohne Grenzen nicht vorstellen kann. Mein Sohn würde sich in Süßigkeiten baden, von meiner Tochter will ich gar nicht reden. Ich bewundere Eltern, die ihre Kinder ohne Grenzen großziehen. Jedem das seine. Wenn es für sie funktioniert, wunderbar. Für mich funktioniert es nicht.
Ein Beispiel vom letzten Jahr; mein Sohn brüllte einmal im Supermarkt so laut, weil er ein Spielzeug wollte und ich es in dem Moment nicht leisten könnte. Dies habe ich ihm auch ganz ruhig erklärt. Er hat mich sogar bedroht, dass er beim Papa wohnen will, wenn er das Spielzeug nicht bekommt. Übrigens, ich liebe es wie Scheidungskinder die Grenzen testen, genial erpressen können und sehr oft versuchen die Eltern gegeneinander auszuspielen. Darüber schreibe ich in meinem nächsten Beitrag.
Natürlich haben schon Menschen im Supermarkt geschaut, was für eine brutale Mutter ich bin. Stört mich das? Ehrlich gesagt, nein. Hat er das Spielzeug bekommen? Sicher nicht. Ich habe ihm gesagt, wenn er mit Weinen fertig ist, warte ich draußen auf ihn und zum Papa kann er auch zu Fuß gehen, wenn er möchte. Er weiß, dass ich diese afrikanische Gelassenheit habe und stundenlang warten kann. Nach drei Minuten ist er raus gekommen und mir gesagt „Mama, ich bin mit Weinen fertig.“
Fast jeden Tag mache ich Fehler. Ich lerne von meinen Fehlern und versuche sie nicht zu wiederholen. Wie kann ich mich verbessern und mich weiterentwickeln ohne Fehler und Kritik?
Am Donnerstag zum Beispiel haben meine Kinder einfach die Jause zu Hause vergessen. Beide Jausen lagen am Tisch und sie spazierten einfach hinaus. Ich habe schon einmal die Jause in die Schule nach gebracht. Am Donnerstag habe ich mich geweigert, wie eine Wahnsinnige in die Schule zu fahren.
Nein, ich bin nicht ihre Dienerin und den Haushalt wird auch zusammen erledigt. Zu mittag sind sie nach Hause gekommen, meine Tochter kurz vorm verhungern. Mein Sohn, der alles für das Essen tun würde, hatte von seinen Freunden was bekommen. Habe ich den ganzen Vormittag ein schlechtes Gewissen gehabt? Aber wie! Sie müssen lernen Verantwortung zu übernehmen. Ich habe keine Lust wie eine Hexe durch die Gegend zu fliegen. Ein Tag ohne Jause überleben sie. Ich bin mir sicher die Jause wird nicht wieder vergessen :-).
Wie oft hole ich meine Kinder von der Schule ab und mir wurde gesagt wie brav sie sind? Kaum zu Hause, fängt schon das Drama an und ich frage mich wo ich die brave Kinder zurückgelassen habe? Sie können wie die Hähne streiten, wehe gehe ich dazwischen, kommt schnell „Mama, misch dich nicht ein“! Super!
Einmal als ich mich bei meiner Mama bedankt habe, dass ich noch lebe und mich beschwert habe wie die Kinder manchmal streiten, sagte sie mir nur „sei froh, dass sie zu Hause schlimm sind, das heißt sie fühlen sich wohl neben dir. Sie wissen du kannst damit umgehen, denn in der Schule müssen sie meistens brav sein und folgen, irgendwann geht ja nicht mehr“. Danke Mama. Ich fühle mich auch sehr wohl neben ihnen :-).
Streiten kann gelernt werden. Daher freue ich mich, wenn sie streiten. So lernen sie Konflikte zu lösen. Hauptsache sie halten zusammen, beleidigen sich nicht und schätzen, dass sie sich haben. Als Kind, wenn meine Mama mit mir schimpfte, sagte sie sehr oft „ich schimpfe mit deinem Verhalten, dich liebe ich genauso wie vorher“. Bei Auseinandersetzungen zwischen uns, versuche ich meinen Kindern klar zu machen, dass ich das Verhalten und nicht sie verurteile. Von meiner Oma habe ich auch gelernt möglichst viel Körperkontakt beim streiten zu halten, egal mit dem Kind oder mit dem Partner. So wird die Liebe zwischen euch nicht unterbrochen und du sagst nicht die Wörter die du später bereust und die verletzen können.
In letzter Zeit merke ich, dass meine Kinder nicht mehr hinter mir gehen, sondern neben mir. Sie erziehen mich und ich lerne unglaublich viel von ihnen. Das gegenseitiges Loslassen hat schon begonnen. Sie übernehmen mehr die Verantwortung und werden selbständiger. Die Kindheit prägt uns und beeinflusst unser Leben. Es ist unsere Entscheidung bewusst das mitzunehmen was uns gut tut, und abzulegen, was uns nicht gut tut.
Du bist die beste Mutter für dein Kind, dein Kind weiß es, du hoffentlich es auch. Sei stolz, dass es dich ausgesucht hat, denn du bist gesegnet. Sei nicht zu hart zu dir. Hilfe anzunehmen, heißt nicht, dass du schwach und überfordert bist. Nicht nur du Mama macht alles besser und hat alles unter Kontrolle – die anderen können genauso so gut sein. Ich genieße es, wenn ich zweimal in der Woche laufen gehe und zwar alleine – oder wenn ich ab und zu im Kaffeehaus sitze und ein großes „Heiße Liebe“ Eis bestelle, entweder alleine oder mit Freunden. Habe ich da ein schlechtes Gewissen? Ehrlich? Nein.
Ein Suaheli Sprichwort; kuzaa sio kazi, kazi ni kulea.
Auf Deutsch übersetzt; ein Kind zu bekommen, ist keine Arbeit, es zu erziehen, ist die Arbeit.
Bis bald!
Eure Easter.
Wieder so herzergreifend ehrlich geschrieben- du bist eine weiße Mutter!
Lieben Gruß
Ellen
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weise…soll es richtig heißen
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Danke Easter für Dein Follow von meiner Seite Pamphlete und Introspektion.
https://pfwpamphlete.wordpress.com
Deine Seite ist sehr interessant: und deine Biographie auch, aus Kenia und in Österreich. Ich sehe, Du hast viel Erfolg mit Deinem Blog.
Besten Gruß, Peter.
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Hallo Peter,
deine Beiträge sind sehr interessant. Die Ursachen der Gewalt hat mich sehr begeistert, dann noch ein Beitrag von dir – es ging um die Sexualität des Kindes….sehr gut erklärt. Danke für diese tolle Erklärungen. Der Mensch hört nie auf zu lernen.
Schönes Wochenende.
Liebe Grüße,
Easter.
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Wow!:-)
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